Hey! Teacher… Elternsprechtag, antreten zum Krisengespräch, bitte!

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Wie ich neun Gespräche am Elternsprechtag überlebte

Vor einer Weile hatte ich hier die »Zehn besten Fragen zum Elternsprechtag« gepostet. Hoffentlich hat jener Beitrag dem einen oder der anderen etwas genützt. Ich selbst bin leider komplett untergegangen und konnte mich an keine einzige wichtige Frage erinnern, die ich stellen wollte. Wie es mir in meinen Lehrergesprächen erging, will ich dennoch gern erzählen.

Um genau zu sein, handelte es sich in meinem Fall sogar um zwei Elternsprechtage. Ein Sprech für meinen Sextaner (5. Klasse Gymnasium) und einige Wochen später ein Sprech für meine Obertertianerin (9. Klasse Gymnasium).

# Unterstufe – Sexta (Klasse 5)

Die Klassenlehrerin, die in Schülerkreisen wegen ihrer Strenge mit einem militärischen Spitznamen betitelt wird, hatte meinen Fünftklässler vor dem Sprechtag ausdrücklich darum gebeten, mich zum Gespräch zu begleiten. Nun, da dachte ich doch, dass es dann nicht so schlimm würde. In Anwesenheit des Elfjährigen wird sie wegen seiner schlechten Noten schon keine verbalen Brutalitäten loslassen. Immerhin rechnete ich mit insgesamt drei Fünfen und vielen Vieren (Der Elternsprech lag untypischerweise einen Tag vor der Zeugnisausgabe). Der Bursche ist zwar plietsch, aber total »verpeilt«, wie seine Grundschullehrerin es immer nannte.

Und der Schritt von der behüteten Grundschule zum Gymnasium ist ein großer, den man an unserer Schule nur überlebt, wenn man rechtzeitig aufwacht. Und wenn man ganz überrascht ist, dass man für Biologie und Geografie lernen muss, kassiert man eben Fünfen in den Tests. Tatsächlich bekam er jeweils eine Vier im Zeugnis, was ich echt nett fand. Nur in Mathe, von der Klassenlehrerin unterrichtet, gab es die schreckliche Fünf. Und eine schreckliche Ansprache am Elternsprechtag gratis dazu.

Die Lehrerin beugte sich über den Tisch zu meinem Sohn und sagte wörtlich: »Du machst uns Sorgen! Wir sind nicht sicher, ob das hier die richtige Schule für dich ist.«

Bäm! Du liebe Zeit, warum hat sie das nur gemacht? Um durch solche Worte Kampfgeist zu wecken, muss man das Kind genau kennen. Bei meinem Sohn klappt das jedenfalls nicht, falls das überhaupt ihre Absicht gewesen sein sollte.

Ich musste anschließend meinen empfindsamen Elfjährigen mühsam wieder aufrichten und davon überzeugen, dass er sehr wohl schlau genug für diese Schule sei, aber jetzt mal langsam bis mittelschnell durchstarten müsse und im Unterricht mitmachen, anstatt zu träumen.

# Der HAWIK-Test

Tatsächlich haben wir sogar schriftlich, dass er überdurchschnittlich schlau ist, denn er musste im Rahmen einer Untersuchung auf ADS (wegen seiner Verpeiltheit) den HAWIK-Test absolvieren. Das ist ein mehrstündiger, weltweit anerkannter Intelligenz-Test. Aber was nützt eine Top-Hardware, wenn die Software nicht installiert ist oder nicht beherrscht wird? Genau: nix.

Insgesamt gab es wohl einige Ungereimtheiten bezüglich der Benotung in dieser Klasse. Zum Beispiel im Fach Sport. Ich hatte schon mitbekommen, dass mittlerweile viel strenger benotet wird als zu meiner Zeit. Aber dass ein Landesmeister im Achthundertmeterlauf nur eine Drei bekommt, ist schon irgendwie schräg.

Die anderen beiden Gespräche zu den Fächern Deutsch und Englisch verliefen übrigens zum Glück deutlich kinderfreundlicher und empathischer, und es wurden gemeinsam mit meinem Sohn und mir Maßnahmen besprochen, die für Besserung sorgen sollen. Das ist, wie ich zur Ehrenrettung der Klassenlehrerin sagen muss, nach dem Paukenschlag in jenem Gespräch auch geschehen.

# Mittelstufe – Obertertia (Klasse 9)

Rrrrrrichtig wenig Lust hatte ich auf den Elternsprechtag der Mittelstufe, wie ich gestehen muss. Sechs (!) Termine standen auf meiner Liste, das große Kind hatte zum vierten Mal in fünf Jahren ein Begleitschreiben zum Zeugnis erhalten: Die Versetzung sei gefährdet. Eine Fünf und dreimal Vier minus.

Die fast fünfzehnjährige Täterin gähnte nur gelangweilt und sagte dazu das, was sie jedes Jahr dazu sagt: »Ich mach das schon. Das liegt nur am Mündlichen. Am Ende habe ich weder eine Fünf im Zeugnis noch eine Vier minus.« Seufz. Bislang hat sie jedes Jahr recht behalten, aber jetzt geht es im G8-Leben immerhin um die Versetzung in die Oberstufe. Wir schauen mal.

Theoretisch immerhin sollte ihr das möglich sein, denn auch sie musste – wenn auch aus anderen Gründen – den HAWIK-Test absolvieren. Sie ist noch schlauer als ihr Bruder. Im Bereich »Sprachverständnis« erreichte sie sogar einen Wert von 132, was schon fast genial ist.

# »Ihre Tochter spricht nicht mit mir!«

Der Englisch unterrichtende Klassenlehrer zeigte sich irritiert: Er hätte seiner Schülerin so gern eine Zwei gegeben, aber sie sage im Unterricht einfach zu wenig. Der Deutschlehrer beklagte das Gleiche. Die Chemie-Lehrerin auch. Und die Mathelehrerin sowieso. Als die WiPo-Lehrerin mich gespielt verzweifelt anschaute und zu mir sagte: »Frau Stieglmayr, Ihre Tochter spricht nicht mit mir!«, da konnte ich nur noch müde lächeln und erwidern: »Glauben Sie mir, Sie sind da kein Einzelschicksal.«

Daheim im Auftrag von Englisch- und Deutschlehrer befragt, ob es Gründe für ihre Schweigsamkeit gebe, kam nach einigem Überlegen zutage: »Dadurch, dass wir jetzt so viele in der Klasse sind* und auch so viele Schlaue, sind die Antworten meist schon so komplex, dass man oft gar nichts mehr hinzufügen kann.«
*Aus Lehrermangel wurde eine Klasse auf drei andere verteilt. (Anm. d. Red.)

# Was für eine unglaubliche Geschichte!

Natürlich wiederholte ebenfalls die Geschichtslehrerin die Forderung nach Gesprächsbereitschaft seitens meiner Tochter. Als ich sie schüchtern darum bat, mir zunächst bitte vorzurechnen, wie sie überhaupt auf die Vier minus gekommen sei – ein Test 5, der zweite 1 –, da strahlte sie mich an und sagte mit Fake-Smile im Gesicht: »Ich muss hier gar nichts rechnen.« 

So, dachte ich verwirrt, rechnen kann sie also auch nicht. Als die Dame mir dann noch erzählte, sie sei Schulbuchlektorin gewesen, konnte ich innerlich nur noch den Kopf schütteln.

Ich hatte nämlich nicht vergessen, dass vor fünf Jahren an der Tafel in ihrem Raum zum Tag der offenen Tür »Herzlich Willkommen« stand. Und das, obwohl sie – die auch Deutsch unterrichtet – hätte wissen müssen, dass »Herzlich willkommen« richtig gewesen wäre. (Wer hier gern noch auf unterhaltsame Weise in die Tiefe gehen möchte, soll bitte die Zwiebelfisch-Seite von Bastian Sick besuchen. Das ist der Autor von »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod«.

# Orthographie: mangelhaft!

Mich ärgert übrigens auch jedes Mal, wenn Post aus dieser Schule kommt, dass im Briefkopf nicht »E-Mail«, sondern »Email« steht. Mag sein, dass hier unverdrossen ein Duden von 1985 verwendet wird, da existierte noch keine elektronische Post, da gab es nur diese altmodische Topf- und Badewannenbeschichtung. Auch dazu gibt es natürlich eine entsprechende Zwiebelfisch-Kolumne von Bastian Sick, und zwar hier.

Jaja, ich weiß, ich bin sehr pingelig. Ein Buchstaben-Nerd. Ein Rechtschreib-Pitbull. Aber immerhin handelt es sich doch um meine Muttersprache, und ich lebe davon, Fehler von anderen zu finden und sie zu töten – äh, zu korrigieren. Aber was soll nur werden, wenn nicht mal die Deutschlehrer*innen an Gymnasien so simple Dinge richtig schreiben können. Wo sollen es die Schüler*innen denn dann bitte lernen?

# ÄTSCH!

Ich habe tatsächlich lange überlegt, ob ich das hier alles überhaupt aufschreiben und dann auch noch veröffentlichen soll. Wie ich entschieden habe, ist offensichtlich. Aber warum diese Entscheidung? Weil ich so genervt bin von all den Eltern, die mir ständig von den Super-Noten ihrer Sprösslinge vorschwärmen. Ich hatte schon fast den Eindruck gewonnen, nur meine Kinder seien irgendwie… unnormal. Und bei ALLEN anderen läuft es wie geschmiert. Einfach nur super. Keine Probleme, Beruf und schulische Kinderbetreuung zu kombinieren. Easy, eierleicht.

Das stimmt einfach nicht. Es IST wahnsinnig anstrengend, die schulische Karriere der Kinder zu begleiten, völlig irrelevant, auf welcher Schule sie sind. Heutzutage wird von den Eltern viel mehr Engagement verlangt als früher. Gleichzeitig sind aber immer mehr Mütter berufstätig als zu meiner Schulzeit. Gern verweise ich auf den Blog von Christine Finke: Mama arbeitet.

Ich weiß, das ist alles bekannt. Und eine Lösung habe ich leider auch nicht. Aber man darf doch bitte nicht von mir unausgesprochen verlangen, das Abitur insgesamt drei Mal abzulegen.

Doch dann traf ich vor ein paar Tagen meinen ehemaligen Englisch-Lehrer und seine Frau in der Stadt (übrigens die Großeltern des 800-Meter-Stars in meines Sohnes Klasse). Er nahm mir eine gehörige Portion Druck von den Schultern.
Wir sollten uns mal entspannen und noch das ganze nächste Schuljahr bis zur ersten richtigen Versetzung abwarten. In die Quinta (Klasse 6) steigen die Schüler*innen nämlich auch mit schlechten Noten auf.
Dann kicherte er auf seine unnachahmliche Art und sagte schmunzelnd: »Ich war übrigens nur ein mittelmäßiger Schüler.«

Wie schön. Ich auch. Und wie heftig der Druck an diesem Gymnasium hier ist, merke ich selbst: Ab und zu wache ich schweißgebadet auf, weil ich geträumt habe, ich wäre durchs Abitur gefallen.« Bin ich aber nicht. Ätsch.

Claudia Stieglmayr

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