Cherryman jagt Mr. White aus dem Diogenes Verlag

»Cherryman jagt Mr. White« Jakob Arjouni

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Taschenbuch, Diogenes Verlag, 176 Seiten
01. Juni 2012, 11 Euro
ISBN 978-3-257-24167-9

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# Das Zitat

»›Wir aber wollen, dass sich was ändert. Wir wollen unser Land zurück, wir wollen endlich wieder Herr im eigenen Haus sein, Schluss mit der russisch-jüdisch-türkischen Besatzung…‹«

# Der Inhalt

Rick Fischer ist ein anständiger junger Mann aus der östlichen Provinz Berlins. Er ist achtzehn Jahre alt, arbeitslos und leider auch perspektivlos. Als er fünf war, kurz nach der Wende, verunglückten seine Eltern tödlich. Seitdem lebt er bei »Tante Bambusch«, der besten Freundin seiner Oma.

Rick wird tagtäglich von einer Clique Neonazis drangsaliert und erpresst, eines Tages erschlagen diese Typen sogar vor seinen Augen seine Katze. Als aus dem Hintergrund dieser Gruppe heraus eine Tages ein Ausbildungsangebot an ihn herangetragen wird, glaubt er schon fast, das Lebensblatt habe sich zum Guten für ihn gewendet. Doch sehr schnell begreift Rick, dass er instrumentalisiert werden soll und in der Nazi-Falle sitzt.

Der Achtzehnjährige soll einen Anschlag auf einen jüdischen Kindergarten verüben. Weigert er sich, dann sind seine Freundin Marilyn und Tante Bambusch in Lebensgefahr, das wird ihm eindeutig klargemacht. So geht er also zum Schein auf alle Forderungen ein, aber er deponiert den Koffer mit der Bombe anderswo, damit den Kindergartenkindern und deren Erzieherinnen nichts geschieht. Vor allem um die Sicherheit des kleinen Ninu sorgt sich Rick, denn er hat den Jungen ganz tief in sein Herz geschlossen.

Nach dem »fehlgeschlagenen« Attentat schnappt Rick sich eine Motorsäge und beendet auf grausame Art das Unwesen der Nazibande. Weil er weiß, dass es sonst anders herum geschehen würde. Er hat im Grunde wieder keine Wahl.

Das Ende bleibt offen, der Prozesstermin liegt in der Zukunft.

# Die Form

Dieser Roman ist als Briefroman angelegt und besteht aus chronologisch sortierten Briefen, die Rick an seinen Therapeuten Dr. Layton schreibt. Sie bleiben unbeantwortet, aber sie ergeben die Gesamthandlung, ganz elegant aus der Sicht des Protagonisten geschildert.

Wie auch schon »Hausaufgaben« ist »Cherryman jagt Mr. White« ganz flott zu lesen und in schlichter Sprache verfasst. Nichts lenkt von der Handlung ab, denn Wortakrobatik wäre hier fehl am Platze.

# Mein Fazit

Jakob Arjouni hat es schon wieder geschafft, mich mit seiner Romankonstruktion mitzureißen und atemlos – fassungslos! – zu machen. Mit jeder Faser seines Körpers möchte man dem jungen Rick recht geben, ja, sogar applaudieren.
ABER: Was Recht ist, muss auch Recht bleiben. Ein Mord ist ein Mord ist ein Mord. Sosehr man auch schreien möchte: Nein! Mildernde Umstände! Mindestens. Eigentlich bitte Freispruch.

Es sind die Grenzen der Zivilcourage, die Jakob Arjouni hier auslotet. Ist es wirklich Mord? Hat Rick niederträchtige Beweggründe? Wohl kaum. Habgierig? Nein, das ist er auf keinen Fall. Treibt ihn die Mordlust? Ganz sicher nicht. Auch sexuelle Befriedigung empfindet er nicht. Nur grenzenlose Erleichterung. Aber Vorsatz und besondere Grausamkeit wegen des Tatwerkzeugs könnte man ihm ganz bestimmt vorwerfen.

Was aber mit Sicherheit gesagt werden kann: Jede/r Lesende wird die Tat an sich nachvollziehen und verstehen können, denn das Gefühl, in der Falle zu sitzen, transportiert dieser Text auf unnachahmliche Weise.

Hilfe, welch fieser Roman. Was für ein toller Schriftsteller. Es ist wirklich jammerschade, dass Arjouni nur 48 Jahre alt geworden ist. Ich bin sicher, dass ich im Laufe der Zeit alle seine Werke verschlingen werde und sie genau so schätzen werde wie »Hausaufgaben« und »Cherryman jagt Mr. White«.

Außer »Cherryman jagt Mister White« habe ich von Jakob Arjouni »Hausaufgaben« gelesen und geliebt und hier im Blog begeistert besprochen.

Claudia Stieglmayr

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