Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung

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Ja, ich bin mal wieder ausgerastet. Mecker-Mama in Reinkultur. Warum und wieso? Weil am Sonntag um halb vier Uhr am Nachmittag die Erkenntnis in mein Bewusstsein platzte, dass ich es wieder mal nicht schaffen würde, das zu tun, was ich tun möchte. Und das kam so…

# Phil Collins wohnt jetzt nebenan

Da ich werktäglich um vier Uhr aufstehe, gönne ich es mir samstags und sonntags, so lange zu schlafen, wie ich will. Das war auch am vergangenen Sonntag so. Bis plötzlich direkt neben meinem Ohr Schlagzeug gespielt wurde. Das ist natürlich nicht direkt neben meinem Ohr gewesen, sondern im Nachbarhaus, aber es war so unfassbar laut, dass ich vor Schreck senkrecht im Bett saß. Halb neun. Dankeschön fürs Wecken.

Ich versuchte, das Schreckwecken mit Humor zu nehmen, und dachte, so schaffe ich wenigstens allerhand in Büro, Haushalt und Garten und kann dann in Ruhe bloggen. Die blöde Herbstsonne scheint morgens und nachmittags so schräg in meine Esszimmerfenster, dass der Schmutz auf den Scheiben nicht mehr zu ignorieren war. Es sollte aber noch viele Stunden dauern, bis ich endlich Dampfreiniger und Fenstersauger aktivieren würde.

# Dies und das und jenes

Nach zwei wunderbaren Tassen Kaffee und einem Brötchen wollte ich schnell mit den Hunden eine Runde drehen. Aber dann blieb mein Blick immer wieder an Kleinigkeiten hängen, die im Weg herumlagen und weggeräumt werden wollten. Dokumente mussten noch abgeheftet, Rechnungen bezahlt und Betten bezogen werden. Tisch abgeräumt, Wäsche und Geschirr sortiert, Waschmaschine und Geschirrspüler befüllt. Und noch dies und noch das und noch jenes.

Als mein schwarzer Hund irgendwann neben mir stand und höflich leise fiepte, wusste ich: Jetzt ist es wirklich dringend nötig, eine Klorunde mit den Hunden zu drehen. Ein Blick auf die Uhr schockierte mich: schon zwei! Wie konnte das passieren? Ich hatte keine Sekunde vertrödelt, nicht rumgesessen und gelesen oder so. Die ganze Zeit über hatte ich sinnvolle Tätigkeiten verrichtet –, aber nichts davon war wirklich zu sehen, obwohl mehrere Stunden verstrichen waren!

# »Viel Spaß bei euren Freizeitaktivitäten!«

Als ich mit den Hunden aus dem Wald zurückkam, war es bereits halb vier. Und MacGyver und mein Sohn schickten sich gerade an, mit ihren Rädern aufzubrechen, Spaß zu haben im Dirt-Park. Und die Tochter hatte eine Freundin zu Besuch und hatte auch Spaß (und mehrere Paar Schuhe an der engsten Stelle des Hauses neben ihrem Schulrucksack und einem Shirt abgelegt…).

Alle hatten Spaß, nur ich nicht. Ich hatte ausschließlich unspaßige Dinge getan und Pflichten erfüllt. Ich tat mir echt leid. Und ich war wütend auf mich selbst. Das kommt eben davon, wenn man nicht delegieren kann. Da ich zur Situation nicht den nötigen geistigen Abstand besaß, um mein Temperament zu zügeln, pfefferte ich also – vor mich hin schimpfend und fauchend – die Sachen meiner Tochter in den Flurschrank und schickte ein böses »Viel Spaß bei euren Freizeitaktivitäten!« in Richtung Mann und Sohn.

# Scheiß Haushalt

In mein Wüten hinein signalisierte die Geschirrspülmaschine durch durchdringendes Piepen den Wunsch, ausgeräumt zu werden. Schlagartig wandelte sich Wut in Wehmut, und Tränen des Selbstmitleids strömten aus meinen Augen. Mir war klar, dass ich noch immer nicht diese Scheiß-Fenster geputzt hatte. Und mir war auch klar, dass ich es tun würde. Und anschließend würde ich auch noch die Scheiß-Heidepflanzen in die Blumenkästen vor den Bürofenstern pflanzen, die seit Donnerstag in meinem Auto zwischengelagert waren, weil ich für sie noch keine Zeit gehabt hatte.

Ach Manno! Ich wollte doch so gern die Rezension für meinen Blog weiterschreiben, die ich am Wochenende zuvor begonnen und aus ähnlichen haushälterischen Gründen wie jetzt bislang nicht weitergeführt hatte. Und Fotos von meinen Gartenblühern hatte ich gemacht und wollte dazu einen kleinen Text schreiben. Aber wenn ich mit Fenstern und Pflanzen fertig wäre, würde es spät sein und ich zu müde, um Kurzweiliges, womöglich sogar Witziges zu verfassen.

Ich kam aus dem Heulen und dem Haushalten gar nicht mehr raus, bis mein Zehnjähriger nach der Fahrradrunde zu mir kam, mich knuffelte und fragte: »Hast du dich wieder etwas beruhigt?« Ja, das schafft nur er, mir den Wind aus den Segeln zu nehmen und mich wieder zu erden. Als MacGyver sah, dass es selbst für ihn ungefährlich wäre, sich mir zu nähern, kam auch er und wollte wissen, warum ich denn immer so rumschreien müsse.

# Eine Tüte Selbsterkenntnis, bitte!

Tja. Anscheinend ist das immer so, wenn ich mich abmühe, alles allein zu meistern und währenddessen erkenne, dass das nicht klappen wird. Wenn also die psychischen und physischen Kräfte fast aufgebraucht sind, dann schreie ich rum. Schon wieder eine neue Erkenntnis über mich selbst, mit der sich doch arbeiten lässt. Wenn ich mal Zeit habe.

Am Sonntag musste ich mir übrigens keine Gedanken über die warme Mahlzeit machen, das haben die Jungs übernommen. Und MacGyver hat Staub gesaugt, und der Kleine hat im Wohnzimmer Staub gewischt.
So konnte ich in Ruhe die Fenster putzen, die Heide einpflanzen und eine zweite Hunderunde drehen.
Bei der Rückkehr fiel mir dann auf, dass der Vorgarten dringend gefegt werden müsste und die Linden schon wieder ausgeschlagen haben und der Schuppen voller Spinnweben ist und… und ich auch mal Pause machen darf.

Ich bin zufrieden. Die Fenster glänzen, die Heide ist hübsch.

Claudia Stieglmayr

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