Beitragsbild für die Rezension zu »Olga« von Bernhard Schlink

»Olga« Bernhard Schlink

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Hardcover, Leinen, Diogenes Verlag, 320 Seiten
01. Januar 2018, 24 Euro
ISBN 978-3-257-07015-6

Der Roman »Olga« von Bernhard Schlink wurde mir freundlicherweise vom Diogenes-Verlag zu Rezensionszwecken kostenlos zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich wird mein Urteil dadurch in keiner Weise beeinflusst.

# Das Zitat

»›Ihr seid für die Moral, ich weiß.‹ Sie sah mich böse an. ›Wer moralisiert, will es groß haben und zugleich gemütlich. Aber keiner ist so groß, wie er moralisiert, und die Moral ist nicht gemütlich.‹ Zu groß – es war, woran Olga meinte, Herbert und Eik verloren zu haben, wofür sie Bismarck verantwortlich machte und wovon sie auch meine Generation versucht sah.«

# Der Inhalt

Olga Rinke, geboren zur Kaiserzeit in Breslau, aufgewachsen zur Kaiserzeit bei der hartherzigen Großmutter, findet schon in Kindertagen ihre große Liebe in Herbert, Sprössling eines reichen Zuckerfabrikanten. Während Herbert nach dem Abitur ins Garderegiment eintritt und in Deutsch-Südwestafrika (dem heutigen Namibia) gegen den Aufstand der Herero kämpft, schafft Olga es auf das staatliche Lehrerinnenseminar in Posen, unterrichtet zunächst im Heimatdorf und dann in Tilsit.

Zurück aus Deutsch-Südwest, bricht Herbert Olgas wegen mit seinen Eltern. Den unruhigen Mann treibt es schon bald wieder in die Ferne, dieses Mal geht seine Reise nach Argentinien. Zwischen seinen Expeditionen kehrt er immer wieder zu Olga zurück, ihre Verbindung zueinander scheint überraschend unzerstörbar; heiraten will Olga allerdings nicht, da sie als Ehefrau den Schuldienst quittieren müsste.

Als Herbert es sich in den Kopf setzt, eine Nordpolexpedition zu realisieren, unterstützt Olga ihn auch hierin, obwohl sie schon ahnt, dass er von dieser Reise nicht zurückkehren wird.

Ihr bleibt schließlich nur Eik, den vermeintlichen Nachbarsjungen, den sie aufwachsen sieht. Dass er Architekt wird, erfüllt sie mit Stolz. Doch 1936 kehrt Eik von einem Italien-Aufenthalt zurück, tritt in die NSDAP ein und geht zur SS. Er verrät alle Werte, an die Olga glaubt. 1945 schließlich wird sie vertrieben und gelangt nach Heidelberg, wo sie für eine Pfarrers-Familie Näharbeiten übernimmt und dem jüngsten Sohn Ferdinand eine mütterliche Vertraute wird.

Olga stirbt im hohen Alter an den Folgen eines Sprengstoffanschlags. Als sich viele Jahrzehnte später eine gewisse Adelheid bei Ferdinand meldet, bekommt die Geschichte eine neue Wendung und vieles wird posthum ins rechte Licht gerückt.

# Die Form

Bernhard Schlink hat einen wirklich ungewöhnlichen Aufbau für seinen Roman gewählt. Aufgeteilt in drei völlig unterschiedliche Teile, wird erst im zweiten Teil klar, dass der auktoriale Dritte-Person-Erzähler, der Olgas Leben von ihrer Kindheit bis zur Flucht aus Schlesien 1945 beschreibt, tatsächlich der Ich-Erzähler Ferdinand aus dem zweiten Teil ist.

Und jener Ferdinand wiederum sorgt im zweiten Teil dafür, dass der dritte Teil, der aus postlagernden Briefen Olgas besteht, überhaupt geschehen kann. Somit kann man also sagen, dass der zweite Teil Dreh- und Angelpunkt des Romans ist.

In diesen viele Jahre im norwegischen Tromsö postgelagerten Schriftstücken kommt erstmals Olga selbst zu Wort. Und erst im allerletzten Brief schließt sich der Kreis von Olgas Geschichte. Falls man es nicht bereits geahnt hat, wird lange Zeit nach Olgas Tod im Jahr 1971 erst offenbar, warum Olgas Leben wie zu Ende geht – und was Bismarck damit zu tun hat.

Sprachlich ist Schlicks Roman wie erwartet holperfrei und glatt zu lesen. Ein wahres Lesevergnügen mit großem Tiefgang.

# Mein Fazit

Ganz ehrlich, ich war nach den ersten beiden Teilen unzufrieden und unruhig und hoffte darauf, dass der dritte Teil den Roman »rund« macht. Was soll ich sagen: Diese Hoffnung wurde mehr als erfüllt!

Da im zweiten Teil der Ich-Erzähler Ferdinand übernimmt, werden rückblickend auch Ungereimtheiten logisch, die sich schließlich im letzten Teil in ihrer Gänze nachvollziehen lassen. Ich habe mich beispielsweise beim Lesen des gesamten ersten Teils gefragt, weshalb eine so intelligente Person wie Olga so unverbrüchlich an der Liebe zu solch einem manischen Hasardeur wie Herbert festhalten kann.

Olga erinnert mich – nicht zuletzt, weil sie nach ihrer Flucht in Heidelberg Näharbeiten ausführt – sehr an meine Oma. Sie war auch so eine grundehrliche, bescheidene und zufriedene Person wie Olga, die es sich in jeder Situation kommod machen konnte und immer das Beste aus ihrer Lage gemacht hat. Olga würde vielleicht auch gern etwas von der Welt sehen, es ist ihr aber genug, von den Erfahrungen von Herbert und später von Eik zu hören. Die längste Reise, die sie selbst antritt, ist nicht freiwillig. Sie wird vertrieben und flieht aus Schlesien bis nach Heidelberg.

»Olga« ist ein spannender, ein unglaublich facettenreicher Roman, für den man einige Zeit einplanen sollte, denn am besten mundet er, wenn er in einem Rutsch gelesen werden kann und sich so die Kreise von Olgas Biographie am leichtesten verstehen und schließen lassen.

Claudia Stieglmayr

Außerdem habe ich von Bernhard Schlink natürlich »Der Vorleser« gelesen und geliebt.

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