Fünf-Sterne-Ferien für Leib und Seele – Meeresrauschen inbegriffen

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# Gran Canaria – Summer reloaded

Lange vier Monate habe ich mich auf diesen Ausblick hier gefreut. Im Juni hatte ich gebucht. Für Oktober. In die Suchmaske eingegeben hatte ich nur: 1. Kanarische Inseln und 2. Meerblick. Das Ergebnis: Ferien im Fünf-Sterne-Hotel.
Die restliche Familie war zunächst überhaupt nicht gefragt worden. Ich hatte im Alleingang beschlossen, dass so viel Kummer hinter uns und so viel Arbeit vor uns liegt, dass Verreisen in den Sommerferien nicht in Frage kommen würde. Im Anschluss an die Schufterei würden wir aber dennoch Erholung dringend nötig und auch verdammt verdient haben.
Zum Glück hat uns die Tourismuspleite verschont, der Reisegott war uns gnädig. Auf den drei Bildern oben warte ich gerade auf »meinem« Terrassen-Sofa darauf, dass die Sonne um die Kurve kommt.

# PREMIUM SUITE »SEA VIEW«

Das ist das kleinere Schlafzimmer mit Meerblick, das hat das Pubertier sich geschnappt…

Aaaaach – während ich das hier schreibe, sitze ich in diesem Luxusschuppen, auf der riesigen Terrasse mit Meerblick und Jacuzzi, was moderndeutsch für Whirlpool ist – oder so. Wir haben ein enorm großes Apartment mit drei Schlafzimmern, eine »Three Bedroom Premium Suite – Sea View« – die Schlafzimmer selbstverständlich jeweils mit Bad ensuite. 220 Quadratmeter. Ich höre im Geiste gerade Samantha zu Charlotte in Sex and the City, der Film sagen: »This is a five star resort!« Willkommen in der Welt der Reichen und Schönen.

In den 80ern war »The Bold and the Beautiful« übrigens meine Lieblingsserie – Sneaken bei den Reichen, unter dem Vorwand, mein Englisch fürs Abi fit zu machen. »Reich und Schön« hieß sie dann später im deutschen Fernsehen. Und ich mag auch diese Makler-Soap auf Vox. Besonders gern dann, wenn man dort Luxus-Apartments an Mann, Frau oder Divers bringen will.

Neugierig auf diesen Lifestyle war ich also schon immer irgendwie; nie neidisch, einfach nur neugierig. Man muss auch gönnen können, und das kann ich. Sonst hätte ich mich ja längst um einen anderen Job bemüht und wäre nicht bei bescheidenem Salär in einem mittelständischen Verlag geblieben. Tatsächlich muss ich aber heute gestehen: Um öfter DIESEN Ausblick und DIESES Meeresrauschen zu haben, wäre ich bereit, richtig hart und viel zu arbeiten. Ferien im Fünf-Sterne-Hotel sind schon etwas ganz Besonderes. Diese Erkenntnis kommt wohl reichlich spät, zu tief verwurzelt bin ich mittlerweile in der unteren Mittelklasse.

# GUCCI, CHANEL und CO. – Ferien im Fünf-Sterne-Hotel

Kreischige Neureiche wie die Geißens (sehe ich im TV auch gern; ich bin der lebende Beweis dafür, dass Goethe und Geiß kombinierbar sind) habe ich hier zum Glück noch nicht ausmachen können, im Radisson Blu Resort auf Gran Canaria gibt man sich norddeutsch tiefstapelnd, die Viereinhalbtausend-Euro-Chanel wird lässig-unaufgeregt zum Dinner ausgeführt. Und irgendwie glaub ich auch nicht, dass diese Tasche ein Fake war. Den Originalpreis musste ich recherchieren, ich hatte mich – trotz Shopping-Queen-Bildung – um zweitausend Euro verschätzt. Na ja, kann mal passieren. Ich gehöre ja auch nicht dazu, zu diesem Club.

Salud! Und eine Tapas-Platte war auch noch dabei.

Ich will hier doch nur meine geschundene Seele mit Meeresrauschen und Ruhe heilen. Und mit ein bisschen Alkohol vielleicht, hier gibt es nämlich schon zum Frühstück einen hervorragenden Cava. Den gleichen übrigens, der uns im metallenen Sektkühler – stilecht mit Eiswürfeln – in der Suite begrüßt hat.

Das Teenager-Töchterlein hat sich problemlos chamäleonesk an den Luxus angepasst und von uns ein Kleid von Kenzo shoppen lassen. Mitgekommen ist das Pubertier selbstverständlich nicht, das macht es praktisch nie. Es bleibt in seinem Miniapartment, das Meer durch geschlossene Vorhänge vor seinem bösen Blick abgesichert, und lässt sich per SMS von Papa Bilder der vorgeschlagenen Kleidungsstücke schicken, die es dann mit 👍🏻 oder 👎🏻 kommentiert. Nun, das Kleid des Pariser Designers fand immerhin des Tierchens Gnade.

Ich habe sogar drei Kleider und einen Rock geshoppt, aber nicht in der Edelboutique, sondern im Laden um die Ecke für kleines Geld. Guter Geschmack hat eben nicht immer was mit dem Preis zu tun. Außer beim Essen vielleicht.

# SOZIALSTUDIEN AM BÜFFET

Sehr interessant ist es hier für mich selbstverständlich auch zu den Speisezeiten. Ich liebe es, private Sozialstudien zu betreiben. Was mir in diesem Resort sofort auffällt: Menschen, die Ferien im Fünf-Sterne-Hotel machen, stürzen sich nicht Schlag sieben ans Büffet – vor lauter Angst, dass er oder sie kurz kommen könnte. In dieser Preisklasse ist es nämlich so, dass immer nachgelegt wird, hier bleiben keine Wünsche offen, hier verlässt niemand frustriert und hungrig die Meerblick-Speise-Terrasse, weil vom Vitello Tonnato nichts mehr übrig war. Dort wechselt täglich zum Dinner das Unterhaltungsprogramm von guter Qualität, was sich »Soft-Animation« nennt. Unter anderem werden hier leiser Gesang, Querflöte und Flamenco präsentiert.

# Fünf-Sterne-Service

Am zweiten Tag kennt man im Restaurant deine Zimmernummer und weiß direkt, dass der Filius Cola bestellen wird. Der Chef-Camarero wirkt wie ein Dirigent. Er empfängt gut gelaunt die Gäste, geleitet sie galant zu Tisch, schickt mit minimalem Kopfnicken seine Kellner los, wenn ein Teller abgegessen ist, damit der Platz wieder frei ist, wenn der Gast mit dem zweiten oder dritten Gang vom Büffet zurückkehrt.

In diesem Hotel wissen sich die meisten Gäste zu benehmen (na ja, bis auf die Chinesen vielleicht), keiner starrt unverschämt Leute an, Gespräche werden in angemessener Lautstärke geführt. Die Tische sind ansprechend arrangiert, sogar ich fühle mich wohl und privat.

# Die alte MORLA

Da fällt mir doch gleich diese riesige ältere Frau mit mächtigem Körperumfang und wogendem Busen auf. Sie wälzt sich langsam, aber gleichmäßig wie eine Riesenschildkröte über die Speiseterrasse (auch mit Meerblick, natürlich) und bewegt sich mit ruhigem, unerschütterlich zielgerichtetem Blick fast schon erhaben zum Büffet. Dort häuft sie sich mit starrer Miene Berge von köstlichen Speisen auf den Teller und gleitet dann im selben behäbigen Tempo wie zuvor zurück an ihren Tisch.
Dort sitzen noch drei andere Herrschaften und waren schon satt, als die alte Morla zum dritten oder vierten Gang aufgebrochen war. Wieder am Tisch, schaufelt Morla sich ebenfalls langsam, aber stetig ihre Beute in den Mund. Kaut, schaufelt, kaut, schaufelt. Sie spricht dabei nicht, sie lächelt nie, wirkt aber auch nicht verbiestert. Essen als Lebenssinn. Ich wette, die Morla macht öfter Ferien im Fünf-Sterne-Hotel. Wenn ich alt bin, stelle ich mir das genau so vor.

# FIT FOR FUN – Sport ist im 5-Sterne-Hotel auch nicht weniger anstrengend

Bevor es so weit ist, mache ich aber doch lieber noch ein bisschen Sport. Hier gibt es ein kleines, schickes Fitnessstudio, das probieren MacGyver und ich gleich mal aus. Der Mann schwingt sich aufs stationäre Rennrad, weil er für den vierten Tag eine Mountainbike-Tour gebucht hat und trainieren will. Und ich renne zum Warmwerden eine halbe Stunde auf dem Laufband, um anschließend die Geräte zu testen. Handtücher und Wasser gibt es für Sportler gratis.

Wir haben das Studio für uns allein, bis eine Frau zu uns stößt und sich auf dem Stepper abrackert. Plötzlich sagt sie: »Eigentlich schade, dass man das Meer von hier aus nicht sieht.« Dann lacht sie und meint: »Das ist Jammern auf ganz schön hohem Niveau, oder?«
Ich lache mit und stimme ihr zu. In diesem Hotel hat man nämlich von absolut jedem Zimmer aus Meerblick. Ferien im Fünf-Sterne-Hotel eben.

# WEDDING PLANNER am Radisson-Pool

Gleich am ersten Morgen nach unserer Ankunft komme ich mir vor wie an einem Filmset. Auf einem Schild »The perfect Wedding« werden die Hotelgäste quasi zu einer dort stattfindenden Hochzeit zwangseingeladen.

Rund um ein kleines Podium direkt am Pool neben der Bar wuseln etliche ordentlich frisierte junge Damen in schwarzen Etuikleidern und Ohrstöpseln mit Funk herum. Die erste der schwarzen Grazien positioniert sich am gläsernen Fahrstuhl, um den Hochzeitsgästen die richtige Richtung zu weisen, die zweite nimmt sie am mit Rosenblättern gesäumten Marmorweg in Empfang.
Nummer drei und vier kann ich vom Pool aus leider nicht mehr sehen – wie unwirklich, faul im Salzwasserbassin am Rand zu dümpeln und gleichzeitig ein schick gekleidetes Gästepaar nach dem anderen her- und vorbeiflanieren zu sehen.

Auch der Hochzeitszeremonie kann man sich nicht so recht entziehen, selbst wenn man es wollte. Denn selbstverständlich ist auch ein ziemlich guter Operntenor angeheuert worden, der rührende Balladen und herzergreifende Arien schmettert und die gesamte Hotelanlage beschallt.

# SHOPPING BY BOAT

Im Süden Gran Canarias gibt es einen Fähr-Linienverkehr, mit dem es sich bequem und gar nicht so teuer im Stundentakt zwischen Playa del Inglés und Mogán pendeln lässt. Die modernen Glasboden-Schiffe tuckern in gemütlichem Tempo an der Küste entlang, sodass man in Ruhe erstaunte oder schockierte Blicke auf das werfen kann, was Architekten hier so verbrochen haben. Tatsächlich klebt hier am Felshang auch die eine oder andere ärmliche Hütte aus Treibholz und Stofffetzen.

Malerisches Mogán

Ein Besuch von Mogán lohnt sich. Dieses Dorf wird auch das »Venedig Gran Canarias« genannt, weil hier zwei oder drei Brücken mitten im Dorf sind.
Puerto Rico haben wir ausgelassen, da reichte uns der Anblick von Bord aus.
In Anfi geht man nur an Land, wenn man teuer shoppen möchte, Arguineguín ist ein ziemlich scheußliches Nest mit Betonfabrik, abgerockten Gebäuden und grässlichen Läden. Ein ausgestorbenes Shopping-Center haben wir auch entdeckt. Gespenstisch leere Läden, nur ein Supermarkt im Keller hält sich dort noch.
In Playa del Inglés findet man genau das, was man sich klischeehaft so vorstellt: alle möglichen Shops, reichlich Restaurants und Bars. Tagsüber hat man hier beschauliches Treiben, abends treiben besoffene Engländer und Deutsche ihr Unwesen.

# MacGyver – Dein Einsatz!

Einer rothaarigen Engländerin ist eventuell der Alkoholkonsum oder die knallende Sonne oder beides zum Verhängnis geworden. Ganz bestimmt aber mangelndes Körpergefühl. Sie sitzt direkt vor uns auf der Fähre, fasst sich immer mal wieder an die Stirn, sie scheint Kopfschmerzen zu haben.
Das registriere ich so nebenbei, betrachte nachdenklich ihren sommersprossigen nackten Rücken und denke noch: Warum setzt die sich denn nicht in den Schatten?
Da sackt die junge Frau auch schon ohnmächtig nach hinten, ihr Begleiter ruft laut »HELP!« – gerade in dem Moment, als der Kapitän launig etwas von »Fischefüttern« und »Freiwillige vor« von sich gibt.

MacGyver stützt die Frau geistesgegenwärtig von hinten. Er schnappt sich die im Hafen von Mogán gekaufte Wasserflasche und drückt sie dem herbeieilenden Kapitän in die Hand. So konnte die von der Sonne gestochene Britin schnell von außen und innen gekühlt und wieder zu Bewusstsein gebracht werden. Den Rest der Fahrt verbringt sie im Schatten und wird im nächsten Hafen von der Ambulanz abgeholt.
So etwas passiert hier immer wieder, und man ist bei allem Mitleid doch geneigt zu sagen: Selbst schuld.

# WASSERSPORT an der Südküste

Im Hafen von Anfi und Puerto Rico präsentiert sich ein fast unüberschaubares Angebot an Wassersport-Aktivitäten. Klassisches Bananaboat-Reiten und Tretbootfahren sind hier möglich, aber auch Surfen, Wasserski, Jet-Ski, Parasailing oder die Trendsportart Stand-up-Paddling.

Außerdem gleiten hier im Atlantik die größten Katamarane, die ich je gesehen habe, über das Meer. Und selbstverständlich kann man sich Yachten für Privatausflüge mieten, wenn man gerade genügend Kleingeld in der Tasche oder auf dem Konto hat.
Ich habe aber auch tatsächlich Menschen gesehen, die einfach so ins Meer gegangen sind, um zu schwimmen. Verrückt. 😜

Verrücktheiten zum Thema Strandsport kann ich hier morgens von »meiner« Terrasse aus reichlich beobachten. Haufenweise Jogger touren vorbei, einer davon ist bestimmt über 80 Jahre alt, den Blick durch fortschreitenden Morbus Bechterew zwangsweise auf den Boden geheftet.
Am lustigsten finde ich diesen halbsportlichen Blonden in riesigen rosa Bermudas und stylishem Bun, der im Stechschritt über den Strand walkt, an den Klippen kehrt macht und in die andere Richtung düst. Wieder und wieder. Ob das jetzt hektisches Braunwerden sein soll oder seine Smartwatch das drohende Verfehlen des täglichen Schrittzieles gemeldet hat, kann ich natürlich nicht sagen.

# FREE MOTION – oder MTB für völlig Verrückte

Mein MacGyver in Aktion

MacGyver hat schon ziemlich schnell den perfekten Veranstalter für geführte Mountainbike-Touren ausgemacht. Ich hatte ihn eigentlich begleiten wollen, aber meine anfängliche Motivation legt sich blitzartig, als ich sehe, dass die »Einsteiger«-Tour für Menschen mit mindestens 1000 Radkilometern pro Jahr ausgelegt ist. Und etwa 1000 Höhenmeter müssen überwunden werden.

Ja, okay, ich komme aus Norddeutschland, Höhenmeter überwinde ich beim Joggen auf dem Elbhang nur 80 und finde das schon echt toll. Ja, ich fahre zwar oft mit dem Rad, aber dann sind es immer nur weniger als zehn Kilometer – pro Tag, nicht pro Tour. Na gut, ehrlicherweise: Es sind allermeistens weniger als vier Kilometer. Ich räuspere mich also und murmele, ich sei – äh – wohl raus.

Ich bin jedenfalls froh, dass MacGyver heil wieder zurückgekommen ist. Ein Taxifahrer hat mir nämlich erzählt, dass die Motorradfahrer in den Bergen völlig verrückt seien und sich auch unter den Autofahrer etliche Idioten befänden (manche davon werden Taxifahrer, möchte ich anfügen). Die Tour (und auch die zweite, an der der Mann teilgenommen hat) ist aber zum Glück äußerst professionell und kompetent vom Team von Free Motion durchgeführt worden.

# Jacuzzi für Fortgeschrittene

Das mit dem Whirlpool habe ich übrigens am vierten Tag entnervt aufgegeben. Ich möchte ja kein Wasser, aber auch keine Zeit verschwenden, es dauert ziemlich lange, bis so eine Wanne ausreichend gefüllt ist. So bin ich also so pfiffig, das Bassin halb voll laufen zu lassen, damit später –  wenn Einstiegsbedarf wäre – der Pool schnell gefüllt ist. Die Idee ist zumindest großartig gewesen.

Anscheinend ist aber bedauerlicherweise das Housekeeping-Personal angewiesen, regelmäßig den Stöpsel zu ziehen. Beim ersten Mal liege ich gerade im Vorgarten und sonne mich, als ich glucksende Geräusche vernehme und noch dazuspringen kann, um den Stöpsel wieder reinzustöpseln. Da ist der Pool aber schon halbleer. Grummelnd lasse ich das Jacuzzi wieder volllaufen.

Am nächsten Tag bin ich leider einen Moment nicht im Apartment – schwupps, sind die guten Geister vom Room-Service dagewesen und haben erneut den Stöpsel gezogen.

Beim dritten Versuch sind MacGyver und ich gerade auf Bootstour, als uns eine SMS unseres Sohnes erreicht: Soll der Whirlpool leer gemacht werden? Mein NEIN! erreicht ihn leider viel zu spät.

Was soll ich sagen? Wir haben es aufgegeben. Blubberwasser wird sowieso überbewertet. Irgendwas ist ja immer.

Claudia Stieglmayr

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