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Daniela Krien »Die Liebe im Ernstfall«

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Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde leben in Leipzig. Alle fünf haben völlig unterschiedliche Vorstellungen von der Liebe und vom Geliebtwerden. Und sie alle sind absolut glaubwürdig in ihrer Sicht der Welt. Jede von ihnen bekommt ein eigenes Kapitel, jede von ihnen hat ihre ganz persönliche Geschichte von der Liebe im Ernstfall. Wirklich ganz großartig!

Hardcover Leinen, Diogenes Verlag, 288 Seiten
1. März 2019, 22 Euro

ISBN 978-3-257-07053-8

Dieser Roman wurde mir freundlicherweise vom Verlag zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich wird mein Urteil dadurch in keiner Weise beeinflusst.

#Das Zitat

»Im Ernstfall ist sie allein. Ihr Gesicht brennt, in ihrem Kopf jagt ein Gedanke den nächsten. Liebe ist kein Gefühl. Liebe ist keine Romantik. Liebe ist eine Tat.«

#Der Inhalt

Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde sind fünf Frauen, die im Leipzig der Jetztzeit mehr oder minder miteinander verwoben sind. Mal durch Freundschaft, mal durch Liebschaft, mal durch Verwandtschaft. Jede von ihnen bekommt ein eigenes Kapitel, jede von ihnen hat ihre ganz persönliche Geschichte von der Liebe im Ernstfall.

Paula

Buchhändlerin Paula verliert ihre kleine Tochter Johanna durch plötzlichen Kindstod, wofür ihr Mann ihr die Schuld gibt. Er ist sich sicher, dass es an der Impfung lag, obwohl eine Obduktion keinen Hinweis darauf ergeben hat. Die ohnehin auf wackeligen Füßen stehende Ehe zerbricht, und Paula wird vom Kummer sterbenskrank. Eine neue, zarte Liebe findet sich in der gemeinsamen Trauer: Wenzels Frau liegt nur wenige Gräber weiter als die kleine Johanna.

Judith

Die strahlend schöne und hochintelligente Ärztin Judith (Schon-immer-Freundin von Paula und Hausärztin von Brida, Malika und Jorinde) hat massenhaft Liebschaften über ein Dating-Portal, weil ihre eigentliche Liebe – ein älterer Kollege, verheiratet, das vierte Kind ist unterwegs – unerreichbar ist. Immerhin liebt sie sich selbst sehr. Sie hatte drei Abtreibungen und eine Wohnung, die jegliche Nestwärme vermissen lässt, wie Autorin Brida Lichtblau eines Tages feststellt.

Brida

Brida wird hin und her geschleudert zwischen der Liebe zu Götz und ihren Kindern einerseits und ihrer Liebe zum Schreiben andererseits. Dieses ewige Abbremsen und Beschleunigen lässt ihre Kreativität sterben, aber letztendlich siegt dann doch die Liebe zur Literatur. Eine Trennung von Götz ist unausweichlich, die Kinder bekommen das Nestmodell: Sie behalten die Wohnung, die Eltern pendeln und haben schließlich eine Affäre miteinander, als Götz längst schon selbst ein neues Nest mit einer anderen Frau gebaut hat.

Malika

Malika hat in ihrer Jugend die von der Mutter prognostizierte Musikkarriere absichtlich »vergeigt«. Außerdem leidet sie extrem darunter, dass ihre Schwester Jorinde ihr stets vorgezogen worden ist. »Der Einfluss der Eltern endete dort, wo seine (Götz’) Liebe begann.« Möbeltischler Götz wird zum Zentrum ihres Lebens, bis Brida ihn ihr entreißt. Ihr Herz ist derart zerbrochen, dass die Seele in einer Klinik geheilt werden muss. Geheilt wird auch die auf Jorinde gerichtete Eifersucht, als die Erkenntnis reift, dass die Eltern und nicht die Schwester Schuld an allem tragen.

Jorinde

Schauspielerin Jorinde hat ein Leben lang um die Liebe ihrer Schwester Malika gekämpft. Als diese endlich die Zusammenhänge begreift, ziehen die beiden zusammen, um sich gemeinsam um Jorindes drei Kinder zu kümmern.

#Die Form

»Die Liebe im Ernstfall« ist ein Roman, der sprachlich brillant und leichtfüßig daherkommt. Er ist kurzweilig und flott zu lesen, sprachlich schnörkellos und klar.
Jeder der fünf Frauen widmet Daniela Krien ein Kapitel, interessanterweise bekommt Judith, die Ärztin, die alle Protagonistinnen aus verschiedenen Gründen kennen, die wenigsten Wörter geschenkt.
Der Roman umschlingt die Liebe zum Kind, die Liebe als Selbstbestätigung, die Liebe zur Berufung, die Liebe als Mittel zur Selbstfindung, Geschwisterliebe – und diverse Schattierungen davon. »Die Liebe im Ernstfall« ist vielschichtig und klug durchdacht formuliert, viele leise Töne schleichen sich zwischen die Zeilen, sodass ein tiefgründiger Gesamteindruck entsteht, der sich schwer in Worte fassen lässt.

#Mein Fazit

Ich habe »Die Liebe im Ernstfall« aus verschiedensten Gründen zweimal gelesen (was ich sonst nie tue). Was für ein Glück, denn beim zweiten Mal konnte ich diverse Feinheiten entdecken, die mir beim gierig verschlingenden ersten Lesen entgangen sind. Einen so fabelhaft gesponnenen Geschichtenteppich wie Daniela Krien ihn gewirkt hat, habe ich seit »Das böse Mädchen« von Mario Vargas Llosa nicht gelesen. Wie spielerisch leicht sie es schafft, durch sprachliche Kunstgriffe elegante Tempiwechsel zu erzeugen! Jede der Frauen bekommt sprachlich eine eigene Fadenfarbe, um beim Teppichbild zu bleiben. Alle fünf haben völlig unterschiedliche Vorstellungen von der Liebe und vom Geliebtwerden. Und sie alle sind absolut glaubwürdig in ihrer Sicht der Welt. Ein insgesamt bunter und dicht gewebter Roman-Teppich ist entstanden.

Es fällt mir unfassbar schwer, für dieses grandiose Werk, welches zu Recht noch in der vergangenen Woche die Spiegel-Bestsellerliste angeführt hat, angemessene Worte zu finden – außer: Nur selbst lesen macht glücklich.
Daher erlaube ich mir, in meine eigene Wertung ein Zitat von dem von mir sehr geschätzten Denis Scheck einzubauen: »Lange habe ich keinen so gleichermaßen unterhaltsamen wie psychologisch klugen Roman über die Lebens- und Liebeswirklichkeit erwachsener Menschen in der Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart gelesen. Am Beispiel von fünf Frauen erzählt Krien in geschickt vernetzten Geschichten vom kleinen Alltagsglück, gescheiterten Lebensentwürfen, hohen Ansprüchen und das Ankommen in der Wirklichkeit: Ideale Ferienlektüre.«

Claudia Stieglmayr

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